Hauptfriedhof Bochum
Der Hauptfriedhof Bochum[1][2] (auch: Friedhof Freigrafendamm, teils Zentralfriedhof Bochum) ist der größte Friedhof von Bochum. Das Ensemble der Traueranlage zeigt eindrucksvoll die nationalsozialistischen Bauauffassung und Staatsarchitektur. Sie besitzt auch auf das Ruhrgebiet bezogen einen einzigartigen Charakter.[3][4]

Lage

Der Friedhof befindet sich an der Immanuel-Kant-Straße im Stadtteil Altenbochum und ist einer von 24 städtischen Friedhöfen.[1] Die in den 1930er-Jahren angelegte breite Allee Freigrafendamm führt von der Wittener Straße auf den Friedhof zu. Südlich begrenzt wird der Friedhof durch die Straße Feldmark (vormals u. a. Friedhofsweg). Auf der südlichen Seite ist der wesentlich kleinere und ältere Friedhof Altenbochum. Der Sheffield-Ring, der anscheinend den Friedhof durchschneidet, wurde in den frühen 1960er, vor der Erweiterung des Friedhofs nach Osten, angelegt.[5]
Entstehung
Bereits in den frühen 1920er-Jahren zeichnete sich ab, dass die Kapazitäten des damaligen städtischen Hauptfriedhofs Blumenstraße erschöpft seien werden. Schon vor der Eingemeindung von Altenbochum erwarb die Stadt Bochum in den Jahren 1922 bis 1924 Flächen, um dort einen neuen Friedhof zu planen.[6][7] Bereits 1925 starteten die Arbeiten. Nach der Eingemeindung Altenbochums 1926 begannen 1927–1928 die ersten gärtnerischen Arbeiten.[8] Der Friedhof wurde am 18. April 1935 für Bestattungen freigegeben.[7] In unmittelbarer Nähe südlich und südöstlich des Friedhofs entstand 1936 die neue Stadtgärtnerei sowie eine Baumschule mit einem Bestand von rund 15.000 Gehölzen.[9]
Der Bergarbeiterführer und SPD-Reichstagsabgeordnete Fritz Husemann (1873–1935) wurde hier nach seiner Ermordung im KZ Esterwegen am 26. April 1935 bestattet. Seiner Beerdigung wohnten 1000 Menschen bei.[10]
Architektur der NS-Zeit, Zeit des Zweiten Weltkrieges

Die auf dem vorderen Teil des Friedhofs vorhandenen Gebäude, Eingangsbereich, Verwaltung und Trauerhalle sind in der Zeit von 1935 bis 1939 entstanden, und noch vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Betrieb genommen.[9] Die Architekten waren Heinrich Timmermann und Wilhelm Seidensticker. In der Großen Trauerhalle befanden sich Fenster, die in Anlehnung an alte Totentanz-Darstellungen verschiedene Personen darstellte: Den Tod, den Bergmann, den armen sowie den reichen Mann usw. Der Kämpfer war einem S.A.-Mann mit Hakenkreuzflagge nachempfunden. Die Fenster wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört.[11] Sie stammten genau wie die florale Ornamente mit Tierzeichen und Okuli von Paul Perks.[4][12] Im Eingangsbereich wurden im Juni 1941 sechs überdimensionale Totenfiguren (Höhe 2,75 Meter) angebracht. Zwei auf der linken Seite sollen Krieger aus dem Ersten Weltkrieg darstellen, auf der rechten Seite sind zwei „Kämpfer des neuen Reiches“ dargestellt.[13] Die symbolische Verbindung zwischen den alten und neuen Kriegern wurde in Bochum auch bei dem Kriegerdenkmal im Stadtpark Bochum aufgegriffen. Zwischen den Kämpfern steht jeweils eine Walküre mit großem Schild, auf denen Hakenkreuze eingeritzt waren. Diese wurden nach dem Ende des Dritten Reiches zu Schachbrettmustern umgearbeitet. Die Statuen waren, genau wie die Statue „Das Leben“ von 1939 von dem Hamburger Bildhauer Ludwig Kunstmann.[13][14]
Das Krematorium wurde aufgrund von Materialmängeln durch den Ausbruch des Krieges erst später fertiggestellt und am 16. Juli 1942 in Betrieb genommen.[15][16]

Die größere Trauerhalle, an einen Tempel erinnernde, dient als Aufbahrungshalle des dahinterliegenden Krematoriums, während die kleinere, gegenüberliegende, für Andachten im Rahmen von Erdbestattungen ausgestattet wurde.[4] Die Trauerhalle und der Ehrenhof diente als Kulisse für die martialischen Totenfeiern, mit denen neben gefallenen Soldaten und Würdenträger der Partei später vorwiegend die Bombenopfer der Luftangriffe auf Bochum bestattet wurden. Hier haben die meisten Toten der Angriffe auf die Bochumer Innenstadt ihre letzte Ruhe gefunden. Von den 3850 Personen, die durch Kriegseinwirkungen umkamen, wurden 2775 auf städtischen Friedhöfen beigesetzt, davon 1763 alleine auf dem Hauptfriedhof.[9]
Aufgrund des kriegsbedingten Personalmangels und der großen Zahl der Kriegsopfer wurde bereits 1942 die laufende Grabpflege für Private eingestellt. Auch Wege, Bänke und Ähnliches wurde auf allen Bochumer Friedhöfen und Grünanlagen nicht mehr gepflegt und verkamen bzw. wurde aufgrund mangelnden Aufsichtspersonals vandalisiert. Der Friedhof selber erhielt relativ wenige Kriegsschäden, aber die Baumschule und die Gärtnerei verkamen oder wurden zerstört.[9]
Die Traueranlage am Freigrafendamm ist das einzige vollendete und erhaltene Beispiel einer heroisch-faschistischen Staats- und Parteiarchitektur in Bochum und – soweit ersichtlich – in Westfalen.
- Dekoration in den Gebäuden und die Orgel, 1938
- Glasfenster des Totentanz in der Großen Halle, 1938
- Beerdigungsfeier eines Schutzpolizisten, 1940
- Die Figuren am Eingang zu Großen Halle, 1941
Nachkriegszeit
Nach dem Ende des Nazi-Regimes fand auf dem Hauptfriedhof eine Gedenkfeier für die Verfolgten der Zeit von 1933 bis 1945 statt.[17] In einem 1947 angelegten Ehrenrundplatz wurden am 23. März 1947 die Urnen von acht in Konzentrationslagern und in der Nazi-Hinrichtungsstätte Brandenburg-Görden ermordeten Widerstandskämpfern beigesetzt. Nach langjährigem Einsatz von Angehörigen und überlebenden Antifaschisten kam es im Jahre 2008 zur Einweihung eines Gedenksteines auf dem Ehrenrundplatz.

In den Gräberfeld 19, 19 a und 34 befinden sich die Gräber von 1720 Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen in Bochum.[8] 1946 wurde auf Wunsch von sowjetischen Stellen ein neun Meter hohes, mit kyrillischen Inschriften, einer männlichen Figur und einem Sowjetstern versehenes Denkmal vor dem Friedhof aufgestellt. Vielen Bochumern missfiel dieses Mahnmal. Nach einer Versetzung auf dem Friedhof wurde es wegen angeblicher Baufälligkeit 1964 entfernt.[18] Ein 1965 aufgesetztes Gemeinschaftsgrabmal (sarkophagähnlicher Ruhrsandsteinblock mit russischer und deutscher Aufschrift) erinnert seitdem als Ersatz des ehemaligen Denkmals an die in Bochum umgekommenen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.[8] Im Juli 2004 besuchten ehemalige Zwangsarbeiter die Stadt Bochum, auf Einladung der Stadtverwaltung. Dabei wurden an den Gräbern der Zwangsarbeiter metallene Namensbücher enthüllt.[19]

Ein Denkmal (Hochkreuz und Mosaikwand) gegenüber der großen Trauerhalle erinnert an alle Kriegstoten und gehört mit zu den zentralen Mahnmalen für die Opfer des 2. Weltkrieges in Bochum. Die Mosaikwand wurde 1955 von Ignatius Geitel entworfen und ausgeführt.[20] Sie zeigt eine Darstellung der Niobe, eine Gestalt aus der antiken Mythologie, die um ihre Kinder trauert.
Mehrere Bergleute des Grubenunglücks vom 31. Mai 1948, welches sich auf der Zeche Caroline ereignet hat, sind hier bestattet.
Ab Mitte der 1960er wurde der Friedhof nach Osten, in Richtung Havkenscheid erweitert.[5] An der Feldmark wurde in den Jahren 1973/74 im Stil des Brutalismus die Trauerhalle Ost, nach Entwürfen von Ferdinand Keilmann, gebaut.[21] Sie wurde in den 2010er geschlossen, 2015 unter Denkmalschutz gestellt[22] und wird demnächst für das Fritz-Bauer-Forum unter anderem als Bibliothek dienen. Ein Teil des östlichen Friedhofs wurde als neuer jüdischer Friedhof eingerichtet, dort entstand auch schon eine Trauerhalle.
Im Ostteil des Friedhofs ist auch das Gräberfeld der Ruhr-Universität Bochum, auf welchen die Körperspenderinnen und Körperspender beerdigt werden, die ihren Körper nach dem Tod der Wissenschaft übergeben.[23] Ebenso ist hier seit 1999 auf dem Feld 90 ein Bestattungsbereich für Muslime zu finden.[24]
Die Anlage des alten Teils des Friedhofs, besonders die Trauerhallen, stehen seit 1989 als Denkmal A 058 unter Denkmalschutz. Das Geitel-Mosaik kam 1997 und Walcker-Orgel in der Trauerhalle kam 2007 als Nachtrag zum Denkmal.[25] Seit März 2014 wird der Friedhof in der Route der Industriekultur, Themenroute Bochum gelistet.
Es stehen verschiedene Bestattungsmöglichkeiten zur Auswahl, sowohl als Grab oder Gruft als auch Urnengräberfelder. Seit 2006 befinden sich im Eingangsbereich ein Kolumbarium für Urnenbestattung. Weiterhin besteht die Möglichkeit, Urnen unter Apfelbäumen zu bestatten. Auf Anfrage gibt es einen Shuttelservice für mobilitätseingeschränkte Personen.[1]
Die Stadtgärtnerei und die städtische Baumschule, die zeitgleich mit dem Hauptfriedhof angelegt wurden, wurden 2003 geschlossen. Zurzeit entsteht dort mit dem Quartier Feldmark ein neues Wohnviertel des Entwicklungsprojekts Ostpark Bochum.[26]
Gräber bekannter Persönlichkeiten
Auf dem Hauptfriedhof befinden sich die Grabstellen zahlreicher bekannter Bochumer Bürger, darunter
- Romanus Bange, Franziskaner und Priester an der Christ-König-Kirche, † 1941
- Hermann-Josef Bittern, Propst und Ehrenstadtdechant von Bochum, † 2012[27]
- Ernst Dörffler, General der Luftwaffe, † 1970[28]
- Die Fabrikanten-Familie Eickhoff
- Friedrich Gräsel, Bildhauer
- Hein de Groot, Besitzer eines der größten Bochumer Möbelhäuser, † 1964[29]
- Die Familie Hamer, Kamerahändler
- Die Familie Hardeck, Möbelhänder
- Fritz Husemann, Bergarbeiterführer und SPD-Reichstagsabgeordnete, NS-Opfer, † 1935
- Klaus Kunold, Vorsitzender der VVN-BdA Bochum
- Clemens Massenberg, Stadtbaurat
- Gerhard Schneider, Theologe und 1968 bis 1988 Professor für Neues Testament an der Ruhr-Universität Bochum, † 2004
- Wilhelm Stumpf, Kulturdezernent
Literatur
- Hans H. Hanke: Erschütternd auf den Besucher wirken – Bauten des Hauptfriedhofes "Freigrafendamm" als nationalsozialistische Kultgebäude in Bochum. In: archive.org. aus: Denkmalpflege in Westfalen-Lippe, Bd. 76/1998 der Zs. Westfalen, Münster 1999/2000, S. 402–441, 1998, abgerufen am 3. Oktober 2023.
- Hanke, Hans H.: Wo wir die Russen einmal reingelegt haben. Das Bochumer Denkmal zu Ehren der ermordeten Sowjetbürger 1946–1964 (= Kortum-Gesellschaft Bochum [Hrsg.]: Bochumer Zeitpunkte. Heft 7). Bochum 2000, S. 3–6 (online [PDF]).
- Hanke, Hans H.: In schlechter Würde? Der Freigrafendamm und seine NS-Bauten (= Kortum-Gesellschaft Bochum [Hrsg.]: Bochumer Zeitpunkte. Heft 9). Bochum 2001, S. 3–6 (online [PDF]).
- Kreuzer, Clemens: Das Niobe-Mosaik des lgnatius Geitel - Geschichte und aktuelle Aspekte eines Bochumer Mahnmals (= Kortum-Gesellschaft Bochum [Hrsg.]: Bochumer Zeitpunkte. Heft 15). Bochum Oktober 2004, S. 12–16 (online [PDF]).
- Stadt Bochum, Technischer Betrieb (Hrsg.): Bochumer Erinnerungsorte - Verzeichnis der Anlagen auf städtischen Friedhöfen, Bestandserfassung und Bewertung. Eigenverlag, Bochum 2022 (Online [PDF; abgerufen am 19. September 2023]).
Weblinks
- Beschreibung dieses Ortes als Teil der Route der Industriekultur in Dietmar Bleidick: Bochum: Industriekultur im Herzen des Reviers. In: route.industriekultur. Regionalverband Ruhrgebiet, 2021, abgerufen am 12. April 2023.
- Lernen durch Erinnern. Erinnerungslandschaft Zentralfriedhof. Verein Lernen durch Erinnern, abgerufen am 16. November 2022.
- Klaus Kuliga: artibeau : kunst in bochum - umsonst und draußen. Friedhof Freigrafendamm (1935–1942). Abgerufen am 16. November 2022.
- Das Krematorium am Hauptfriedhof in Bochum. In: Bochumschau. Abgerufen am 4. Oktober 2023.
Einzelnachweise
- Bestattungsarten auf städtischen Friedhöfen, Informationen und Gebühren 2023. Broschüre der Stadt Bochum. März 2023
- Eintrag in den Stadtplan Bochum. Abgerufen am 4. Oktober 2023.
- Hanke, Hans H.: In schlechter Würde? Der Freigrafendamm und seine NS-Bauten (= Kortum-Gesellschaft Bochum [Hrsg.]: Bochumer Zeitpunkte. Heft 9). Bochum 2001, S. 3–6 (online [PDF]).
- Dietmar Bleidick: Bochum: Industriekultur im Herzen des Reviers. (PDF) Hauptfriedhof Bochum. Regionalverband Ruhrgebiet, abgerufen am 16. November 2022.
- Stadtgeschichtliche Karten auf dem Geoportal der Stadt Bochum
- WAZ Bochum, 28. November 2015
- Bochumer Anzeiger, 18. April 1935
- Leidens-Wege in Bochum 1933 bis 1945. Station 30: Friedhof Freigrafendamm. Stadt Bochum, abgerufen am 16. November 2022.
- Verwaltungsbericht der Stadt Bochum 1938–1948, Kapitel 12. Garten- und Friedhofsamt, S. 147 ff
- Wagner, Johannes Volker: Hakenkreuz über Bochum: Machtergreifung und nationalsozialistischer Alltag in einer Revierstadt. Hrsg.: Veröffentlichung des Stadtarchivs Bochum. Studienverlag Brockmeyer, Bochum 1983, ISBN 3-88339-350-9, S. 182–186.
- Bilder der Fenster der Großen Trauerhalle des Hauptfriedhofs finden sich in "Weiter Serien historische Bilder", Flickr Album der Stadt Bochum
- Bochum-Altenbochum, Zentralfriedhof, Webseite im Portal glasmalerei-ev.de, abgerufen am 14. März 2021
- Bochumer Anzeiger, 14./15. Juni 1941
- Bochumer Anzeiger, 28. Februar 1939
- Verwaltungsbericht der Stadt Bochum 1938–1948, S. 139, 149
- Bochumer Anzeiger, 17. Juli 1942
- Bild der Gedenkfeier mit OBM Geldmacher am Rednerpult, im Flickr Auftritt der Stadt Bochum
- Hanke, Hans H.: Wo wir die Russen einmal reingelegt haben. Das Bochumer Denkmal zu Ehren der ermordeten Sowjetbürger 1946-1964 (= Kortum-Gesellschaft Bochum [Hrsg.]: Bochumer Zeitpunkte. Heft 7). Bochum 2000, S. 3–6 (online [PDF]).
- Bild der Enthüllung der Namenstafeln, im Flickr Auftritt der Stadt Bochum
- Kreuzer, Clemes: Das Niobe-Mosaik des lgnatius Geitel - Geschichte und aktuelle Aspekte eines Bochumer Mahnmals (= Kortum-Gesellschaft Bochum [Hrsg.]: Bochumer Zeitpunkte. Heft 15). Bochum Oktober 2004, S. 12–16 (online [PDF]).
- Knut Stegmann: Bochum: Trauerhalle Ost auf dem Zentralfriedhof Freigrafendamm, Feldmark 107. In: Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.): Denkmalpflege in Westfalen-Lippe. Band 2015, Heft 1, ISSN 0947-8299, S. 42–45 (lwl.org [PDF]).
- Denkmaleintrag A 699 in die Denkmalliste der Stadt Bochum
- Tag des Friedhofs „Hier bekommen die Menschen wieder einen Namen“. Abgerufen am 16. November 2022.
- Enzyklopädie des Islam, Abschnitt Hauptfriedhof Bochum
- Denkmaleintrag A 058 in die Denkmalliste der Stadt Bochum
- Bochum: Entwicklung des Quartiers Feldmark. In: NRW.URBAN. Abgerufen am 18. Januar 2024 (deutsch).
- Domkapitular Hermann-Josef Bittern gestorben. 3. Februar 2012, abgerufen am 17. Januar 2024.
- GEN Ernst Dörffler (1890-1970) – Find a Grave... Abgerufen am 17. Januar 2024.
- Hein De Groot (1892-1964) – Find a Grave... Abgerufen am 17. Januar 2024.