Hecken-Kälberkropf
Der Hecken-Kälberkropf (Chaerophyllum temulum), auch Taumel-Kälberkropf,[1] Taumel-Kerbel oder Betäubender Kälberkropf[2] genannt,[3] ist eine Pflanzenart aus der Gattung Kälberkröpfe (Chaerophyllum) innerhalb der Familie der Doldengewächse (Apiaceae).
Hecken-Kälberkropf | ||||||||||||
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![]() Hecken-Kälberkropf (Chaerophyllum temulum), Illustration | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Chaerophyllum temulum | ||||||||||||
L. |
Beschreibung
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Vegetative Merkmale
Der Hecken-Kälberkropf wächst als zweijährige krautige Pflanze und erreicht Wuchshöhen von bis zu 1,40 Metern. Als Speicherorgan dient eine Rübe.[4] Pro Pflanzenexemplar werden mehrere verzweigte Stängel gebildet. Die Stängel sind im Querschnitt rund, aber leicht kantig und mit Borsten bedeckt, die bei Berührung für schmerzhaften Hautkontakt sorgen. Zur Basis hin fallen die Stängel durch dunkelrote Flecken sowie durch keulenartige Verdickungen an den Verzweigungen auf, die dieser Pflanzengattung den Trivialnamen Kälberkropf eingebracht haben. Der Geruch des Hecken-Kälberkropf ist schwach würzig, an Möhren und Kümmel erinnernd.
Die wechselständig am Stängel angeordneten Laubblätter des Taumel-Kälberkropfes sind von meist anliegenden Haarenb kurz borstig-zottig behaart und doppelt gefiedert.[5] Die Blattstiele sind oft schmutzig rot.[5] Die unteren Blätter sind gestielt, die oberen auf den länglichen Blattscheiden sitzend.[5] Die Blatttzipfel letzter Ordnung sind breit eiförmig, stumpf, kurz zugespitzt-stachelspitzig und teilweise gekerbt.[5]
Generative Merkmale
Die Blüten gruppieren sich in einem fünf- bis elfstrahligen, leicht gewölbten doppeldoldigen Blütenstand. Der Blütenstand ist vor dem Aufblühen überhängend und zur Blütezeit aufrecht oder etwas nickend.[5] Eine Hülle fehlt meist; wenn vorhanden, setzt sie sich aus ein bis zwei Hüllblättern zusammen.[2] Die fünf bis neun Hüllchenblätter sind breit-lanzettlich und am Rand bewimpert; nach oben sind sie zugespitzt, zur Basis hin leicht verwachsen. Die Döldchen enthalten sieben bis 14 Blüten.[1][2] Die Doldenstrahel sind mehr oder weniger rauborstig.[5]
Die Blüten sind 2 bis 4 Millimeter breit. Bei fünf reinweißen Kronblätter zeigen die am Rand stehenden eine leichte Verlängerung; sie können ausgerandet oder auch bis zur Hälfte eingeschnitten sein und sind nicht bewimpert.[1] Die Griffeläste der zwei Griffel sind spreizend; ihre Länge entspricht derjenigen des Griffelpolsters.[6] Der zweifächrige Fruchtknoten ist unterständig.
Als Frucht wird eine 4 bis 6 Millimeter lange, dunkel-braune Doppelachäne gebildet, die zehn flache, schwach ausgeprägte, hellbraune Rillen aufweist.[1] Die Fruchtstiele sind ziemlich dick und halb so lang bis doppelt so lang wie die Frucht.[5]
Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 14[3] oder 24.[7]
Ökologie
Die Blütezeit ist Mai bis Juli. Blütenökologisch handelt es sich um vormännliche Nektar führende Scheibenblumen mit männlichen und zwittrigen Blüten (andromonözisch). Sie werden von Insekten bestäubt. Blütenbesucher sind Hymenopteren, Dipteren und Coleopteren.[5]
Die Früchte verbleiben im Winter an der Pflanze (Wintersteher). Die Teilfrüchte werden beim Anstoßen der reifen, trockenen Stängel weit fortgeschleudert (Tierstreuer); vermutlich werden sie auch durch den Wind verbreitet. Die Früchte reifen von Juli bis September.
Auf dem Hecken-Kälberkropf parasitieren die Pilze Erysibe polygoni, Diaporthe berkeleyi und Puccinia chaerophylli.[5]
Vorkommen und Gefährdung
Die Verbreitungsgebiete des Hecken-Kälberkropf liegen im Großteil Europas außer in den nördlichsten und südlichsten Regionen, weiters in den nordwestafrikanischen Staaten Marokko, Algerien und Tunesien, in der nördlichen Türkei und der nördlichen Kaukasusregion.[8] In Norwegen, Finnland und Lettland kommt die Art eingeschleppt vor, in Island fehlt sie.[9]
Die österreichischen Vorkommen sind häufig bis selten; in Osttirol ist der Hecken-Kälberkropf ausgestorben; die Kärntner Vorkommen sind unbeständig. Im Alpenbereich Österreichs sowie dem nördlichen und südöstlichen Alpenvorland gilt er als „gefährdet“.[10]
In der Schweiz besiedelt er die kollin-montane Höhenstufe, insbesondere im Jura. Keine Vorkommen sind aus dem Engadin bestätigt.[3] Er steigt im Puschlav bis 1050 Meter und im Jura von Neuenburg bis 1200 Meter Meereshöhe auf.[5]
Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 3 (mäßig feucht), Lichtzahl L = 3 (halbschattig), Reaktionszahl R = 3 (schwach sauer bis neutral), Temperaturzahl T = 4+ (warm-kollin), Nährstoffzahl N = 5 (sehr nährstoffreich bis überdüngt), Kontinentalitätszahl K = 2 (subozeanisch).[3]
In Deutschland ist er in allen Bundesländern verbreitet, gemein in Nord- und West-Nordrhein-Westfalen und selten im Schwarzwald und Erzgebirge. Mit unbeständigen Vorkommen tritt er selten in Süd-Bayern auf.[6]
Der Hecken-Kälberkropf wächst an Waldrändern und auf Wiesen. Der Hecken-Kälberkropf wächst meist auf stickstoffreichen, feuchten Fluren, breitet sich aber durchaus auch in trockenerem Gelände aus. Der Hecken-Kälberkropf samt sich reichlich aus, ist aber trotzdem in manchen Gegenden stark zurückgegangen. Im pflanzensoziologischen System ist der Hecken-Kälberkropf eine Kennart der Knoblauchhederich-Saumgesellschaft (Alliario petiolati-Chaerophylletum temuli).
Systematik
Die Erstveröffentlichung von Chaerophyllum temulum erfolgte 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum, Band 1, Seite 258[11]. Ein Synonym für Chaerophyllum temulum L. ist Chaerophyllum temulentum L.[8]
Toxikologie
Tiere, die den Kälberkropf fressen, erleiden Lähmungen – sie taumeln. Die Giftwirkung ist wahrscheinlich auf den Gehalt am Polyin Falcarinol zurückzuführen. Vermutungen in der älteren Literatur über ein noch nicht isoliertes Alkaloid (Chaerophyllin) ließen sich nicht bestätigen. Für Menschen ist der Taumel-Kälberkropf aufgrund des geringen Toxingehalts nur schwach giftig. Frühere Berichte über starke bis tödliche Vergiftungen sind vermutlich auf Verwechslungen mit dem Gefleckten Schierling (Conium maculatum) zurückzuführen.
Es gibt noch weitere Kälberkropfarten, wie den Behaarten Kälberkropf, den Knolligen Kälberkropf oder den Gold-Kälberkropf. Diese sind jedoch nicht giftig.
Trivialnamen
Für den Hecken-Kälberkropf bestehen bzw. bestanden auch die weiteren deutschsprachigen Trivialnamen: Alfbunkel, Taumelkerbel (Schlesien), Todtenkerbel (Thüringen), Tollkörbel und Tollkürbel.[12]
Quellen
Literatur
- Siegmund Seybold: Flora von Deutschland und angrenzender Länder. Ein Buch zum Bestimmen der wild wachsenden und häufig kultivierten Gefäßpflanzen. Begründet von Otto Schmeil, Jost Fitschen. 93., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2006, ISBN 3-494-01413-2.
- Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Porträt. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.
- Dietmar Aichele: Was blüht denn da? Der Fotoband, 5. Aufl., Kosmos, Stuttgart, 2004, 446 S., ISBN 3-440-10281-5.
- Eberhard Teuscher, Ulrike Lindequist: Biogene Gifte, Gustav Fischer, Stuttgart 1994, ISBN 3-437-30747-9.
Einzelnachweise
- Eintrag Chaerophyllum temulum bei Flora Emslandia - Pflanzen im Emsland.
- Chaerophyllum temulum L., Betäubender Kälberkropf. auf FloraWeb.de
- Chaerophyllum temulum L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 12. Januar 2024.
- Hecken-Kälberkropf. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
- Albert Thellung: ‘’Umbelliferae.’’ In Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. 1. Auflage, unveränderter Textnachdruck Band V, Teil 2. Verlag Carl Hanser, München 1965. S. 996–998.
- Eckehart J. Jäger: Rothmaler - Exkursionsflora von Deutschland. Gefäßpflanzen: Grundband. 21. Auflage, Springer, 2017, ISBN 978-3-662-49707-4, S. 738.
- Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 700–701.
- Chaerophyllum temulum im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 21. Dezember 2011.
- Ralf Hand (2011+): Apiaceae. – In: Euro+Med Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity. Datenblatt Chaerophyllum temulum
- Manfred A. Fischer, Karl Oswald, Wolfgang Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 3., verbesserte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9, S. 838.
- Carl von Linné: Species Plantarum. 1. Auflage. 1. Band. Stockholm 1753, S. 258 (Online – Chaerophyllum mit Chaerophyllum temulum eingescannt bei Biodiversity Heritage Library).
- Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, Seite 89. (eingescannt).
Weblinks
- Steckbrief und Verbreitungskarte für Bayern. In: Botanischer Informationsknoten Bayerns.
- Datenblatt mit Verbreitung in den Niederlanden.
- Zur Giftigkeit bei giftpflanzen.com.
- Thomas Meyer: Datenblatt mit Bestimmungsschlüssel und Fotos bei Flora-de: Flora von Deutschland (alter Name der Webseite: Blumen in Schwaben).