Kragsturzbogen
Kragsturzbogen, auch Konsolbogen, Schulterbogen oder gerader Kleebogen, kurz Kragsturz, nennt man die bautechnische Konstruktion, bei der ein Sturz auf zwei hervorkragenden Konsolen ruht. Er ist ein typischer unechter Bogen.

Konstruktion und Gestaltung

Zweck der Konstruktion ist, durch die beiden Kragsteine die lichte Weite der Öffnung (Spannweite), die mit dem bruchgefährdeten Sturz überspannt ist, zu verringern. Dabei kann der Sturz als massives Bauteil ausgeführt sein, dann liegt einen unechtes Gewölbe vor (Kragsturz im eigentlichen Sinne). Ist der Sturz mit einem scheitrechten Bogen überspannt, also mit nach Bogenart keilförmigen Steinen (Segmentbogen), handelt es sich um eine Mischform, bei der schon der Vorteil des Bogens ausgenutzt wird: Die Druckkräfte von oben seitlich abzuleiten. Waagerecht, das heißt, neben der Öffnung, muss allerdings kräftiges Mauerwerk vorliegen. Wird anstelle des Sturzes ein echter Bogen gesetzt wird, entsteht – bei einem Rundbogen – der Kleeblattbogen (daher der Name „gerader“ Kleebogen für den Kragsturz,[1] sonst sind zwischen den Kämpfern alle anderen Bogenformen auch möglich). Mit dem Kleeblattbogen kann man dann schon Maueröffnungen in Serie nebeneinander auf Säulen stellen, was nur mit echten Bögen möglich ist.
Die Kämpfersteine könnten im Prinzip jede beliebige Form haben, die Hohlkehle (konkave Ausnehmung) bietet den meisten Durchlassfreiraum bei nötiger Stabilität des Steins, und hat auch die Eleganz des Bogens.
Mehrere Kämpfer – zu weiterer Verkürzung der Spannweite – übereinandergelegt führen zum normalen Kragsturz, der als Schlussstein ebenfalls einen Sturz haben kann.
In die Tiefe verlängert entsteht eine normale freitragende Balkendecke mit Innengesims, daher leitet sich vom Kragsturzbogen keine grundlegende Raumformung ab, und er wird nur für Tür-, Fenster- und ähnliche Maueröffnungen verwendet.
Nachteilig ist, dass Fenster oder Tür aufwändig eingepasst werden müssen.
- Galerie
- Kragsturzbogen mit konkkaven Kämpferkonsolen an einer Pforte (Salz, Karolingerstraße 17)
- Kragsturzbogen mit konvexen Käpferkonsolen an einer Pforte (Großeibstadt, Fürstgasse 6)
- Kragsturzbogen über einer Pforte, 1742 (Untereßfeld, Eßfelder Straße 5)
- Kragsturzbogen mit konkaven Kämpferkkonsolen an einer Pforte, 1607 (Heustreu, Bühlstraße 25)
- Schulterbogen über einem Fenster (Marktplatz von Locronan, Bretagne)
- Schulterbogen am Freiburger Münster
- Schulterbogen über Portal, darüber das Kämpferfenster (Bregenz, Kaiserstraße 13)
Literatur
- Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 7. Januar 2024), S. 79: Bogenformen; S. 422: Schulterbohen.
- Oscar Mothes (Hrsg.): Illustrirtes Bau-Lexikon. Paktisches Hülfs- und Nachschlagebuch im Gebiete der Hoch- und Flachbaues, Land- und Wasserbaues, Mühlen- und Bergbaues, d. Schiffs- u. Kriegsbaukunst sowie der mit dem Bauwesen in Verbindung stehenden Gewerbe, Künste und Wissenschaften (Band 3): H bis P, Leipzig, 1883, S. 219: Kragsturz. (Online auf digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 7. Januar 2024)