Marc Hansmann
Marc Hansmann (* 1970 in Osnabrück)[1] ist ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler, Manager und Kommunalpolitiker(SPD). Seit April 2017 ist er Vorstandsmitglied für Finanzen und Infrastruktur des hannoverschen Energieversorgers enercity Aktiengesellschaft. Anfang Mai 2019 wurde er als Kandidat der SPD für die Wahlen zur Nachfolge Stefan Schostoks als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover nominiert[2], konnte sich jedoch nicht gegen seine Mitbewerber Belit Onay (Grüne) und Eckhard Scholz (parteilos, Kandidat der CDU) durchsetzen, die in die Stichwahl am 10. November 2019 einzogen.[3]

Studium und Promotion (1991–1999)
Marc Hansmann studierte von 1991 bis 1996 Geschichte, Politikwissenschaften und Volkswirtschaftslehre an den Universitäten von Hannover, Brighton in East Sussex (Großbritannien) und Bielefeld. Von 1995 bis 1999 war er als Dozent und Trainer am Bildungs- und Tagungs-Zentrum HVHS Springe tätig. 1999 promovierte er über die Entwicklung der Kommunalfinanzen im 20. Jahrhundert am Beispiel der Stadt Hannover.[4]
Unternehmensberater und Ministerialbeamter (2000–2006)
Von 2000 bis 2004 war er für die Kienbaum Management Consulting als Senior-Berater tätig. Von Januar 2005 bis Ende 2006 arbeitete Marc Hansmann als Referent im Bundesministerium der Finanzen.
Stadtkämmerer (2007–2017)
Von 2007 bis 2017 war Hansmann als vom Rat der Stadt Hannover auf Vorschlag des damaligen Oberbürgermeisters Stephan Weil gewählter Stadtrat für Finanzen und Öffentliche Ordnung (Stadtkämmerer) tätig.[5] Hansmann trieb die Umstellung des kameralen Haushalts auf das Neue Kommunale Rechnungswesen voran und stellte 2011 die erste Eröffnungsbilanz vor. Er stellte das hohe Eigenkapital der Landeshauptstadt Hannover heraus und betonte, „dass die Stadt Hannover ihr umfangreiches, über Jahrhunderte gewachsenes Vermögen erhalten und an die nächste Generation weitergeben möchte“.[6] In seiner Amtszeit verzeichnet der städtische Haushalte überwiegend Überschüsse, 2012 sogar ein Rekordergebnis von knapp 90 Millionen Euro.[7] Hansmann verantwortete insgesamt vier Haushaltssicherungskonzepte mit einem Konsolidierungsvolumen von 265 Millionen Euro.[8] Er kritisierte in einem Memorandum den Bund für seine Steuerpolitik zu Lasten der Kommunen.[9] 2015 verfasste Hansmann ein weiteres Memorandum für mehr städtische Investitionen, in dem er eine halbe Milliarde Euro an zusätzlichen Investitionen insbesondere für Schulsanierungen und -neubauten ankündigte.[10] Hansmann unterstützte 2009 den Kauf der Thüga, den er als „spektakulärer Ausbau der Kommunalwirtschaft und das größte Rekommunalisierungsprojekt überhaupt“ bezeichnete.[11] Als Ordnungsdezernent verbot er in seinem ersten Amtsjahr die sogenannten flatrate-Partys, was bundesweit beachtet wurde.[12] Durch die Öffnung der Bürgerämter an Samstagen und online-Termin-Vergaben versuchte Hansmann die Servicequalität der Stadtverwaltung zu verbessern.[13]
Energiemanager (seit 2017)
2017 wechselte Hansmann als Vorstand für Finanzen und Infrastruktur zur Enercity AG. Als zuständiger Vorstand verantwortete er 2018 die Gründung einer großen Netzgesellschaft, in die rund 1.200 Beschäftigte der enercity AG wechselten.[14] Der Kauf eines großen Windportfolios wurde 2017 mit einem grünen Schuldschein finanziert.[15] Nach weiteren Zukäufen und Eigenentwicklungen gehört die enercity Erneuerbare GmbH zu den größten deutschen Windonshore-Betreibern.[16] In einer Podiumsdiskussion wies Hansmann darauf hin, dass der deutsche Kapitalmarkt für die Energiewende zu klein sei.[17] Im Jahr 2022 erzielte enercity bei einem Umsatz von 8,1 Milliarden Euro einen Rekordgewinn von 218,5 Millionen Euro, den das Unternehmen laut Hansmann auch brauche, um die Investitionen in die Energieerzeugungs- und Wärmewende zu finanzieren.[18] In der Energiekrise von 2022 propagierte Hansmann den seit 2012 bestehenden enercity Härtefonds,[19] der vom Land Niedersachsen als Vorbild dargestellt wurde.[20] Ein Schwerpunkt seiner Arbeit als Vorstand besteht in der Wärmewende. Zum 01.01.2023 beschloss der hannoversche Stadtrat eine Anschluss- und Benutzungszwang für die Fernwärme.[21] Hansmann stellte die Grundzüge der kommunalen Wärmeplanung, für den enercity zentrale Vorarbeiten geleistet hat, mehrfach auf Bundesebene vor.[22]
Kommunalpolitiker (1996–2001 und 2019)
Von 1996 bis 2001 war Hansmann Ratsherr der Stadt Hannover. 1999 versuchte er vergeblich, nach der ersten Wahlperiode von Herbert Schmalstieg an dessen Stelle als Oberbürgermeisterkandidat der SPD aufgestellt zu werden.[23] Als der amtierende Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) aufgrund einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft 2019 zurücktrat, wurde Hansmann als Kandidat der SPD für das Amt des Oberbürgermeisters nominiert. Er erklärte in der ersten Pressekonferenz Anfang Mai 2019, er wolle drei Schwerpunkte in den Vordergrund stellen, die Schaffung ausreichender Plätze in Kindertagesstätten, den Wohnungsbau und die Klimapolitik.[2] Außerdem nannte er die Bekämpfung der Kinderarmut und Investitionen in die Bildung.[24] CDU und FDP vermuteten eine Verstrickung Hansmanns in die Rathausaffäre während seiner Amtszeit als Finanzdezernent. Aufgrund einer SMS aus dem Jahr 2016, die Hansmann an den zuständigen Abteilungsleiter im Niedersächsischen Innenministerium schrieb, bat die FDP die Niedersächsische Landesregierung um eine Stellungnahme.[25] Diese entkräftete die Vorwürfe.[26]
Wissenschaftler (seit 1999)
Von 1999 bis 2007 hatte Hansmann Lehraufträge am Institut für Volkswirtschaftslehre und am Historischen Seminar der Leibniz Universität Hannover sowie an der Fachhochschule für Wirtschaft und Technik inne. Von 2006 bis 2023 war er Lehrbeauftragter am Institut für Öffentliche Finanzen der Leibniz Universität Hannover. Seit 2016 ist Hansmann Honorarprofessor am Niedersächsischen Studieninstitut für kommunale Verwaltung e.V. bzw. an der Kommunalen Hochschule für Verwaltung in Niedersachsen.[27] Hansmann hat bisher fünf Bücher, eine bei beck-online veröffentlichte Gesetzeskommentierung zur kommunalen Haushaltswirtschaft und rund 30 Artikel insbesondere über Kommunalfinanzen und Finanzgeschichte geschrieben.[27] Sein Buch „Vor dem dritten Staatsbankrott“ ist vielfach rezensiert worden, u. a. in der Süddeutschen Zeitung vom 22.05.2012. Gustav Seibt empfahl das Buch dort folgendermaßen: „Jeder Staatsbürger, der hierzulande eine unparteiische, über die Zufallszahlen der Tagesberichterstattung hinausreichende Unterrichtung sucht, erhält jetzt eine ausgezeichnete Handreichung in einem kleinen, mit Fakten vollgepackten Büchlein.“[28] Seit 2017 ist Hansmann Mitherausgeber der Schriftenreihe „Modernisierung des öffentlichen Sektors“.[29]
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Kommunalfinanzen im 20. Jahrhundert – Zäsuren und Kontinuitäten – Das Beispiel Hannover, in Reihe: Hannoversche Studien, Band 8, Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2000, ISBN 978-3-7752-4958-4
- Management und Controlling in der Ministerialverwaltung, Verlag Wissenschaft und Praxis, 2004, ISBN 978-3-89673-236-1
- Kommunalfinanzen in der Krise – Problemlagen und Handlungsansätze (Herausgeber und Beiträger), in Reihe: Schriften zur öffentlichen Verwaltung und öffentlichen Wirtschaft, Band. 223 Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-8305-1958-4
- Vor dem dritten Staatsbankrott? Der deutsche Schuldenstaat in historischer und internationaler Perspektive, in Reihe: Zeitgeschichte im Gespräch, Band 13, Oldenbourg Verlag, München 2012, ISBN 978-3-486-71288-9
- Kommunalfinanzen. Eine praxisorientierte Analyse kommunaler Problemlagen 2023, in Reihe: NSI-Schriftenreihe, Band 37, Maximilian Verlag, Hamburg 2023, ISBN 978-3-7869-1452-5
Gesetzeskommentierungen
- §§ 110-129 NKomVG (Haushaltswirtschaft), in: Johannes Dietlein, Veith Mehde (Hg.), Kommunalrecht Niedersachsen, Kommentar, C.H.Beck-Verlag, München 2020, S. 641–713 (zusammen mit Thomas Bertram), ISBN 978-3-406-74756-4
Artikel (Auswahl)
- Die Finanzierung kommunaler Investitionen aus finanzhistorischer Perspektive, in: Henrik Scheller, Martin Junkernheinrich, Stefan Korioth, Thomas Lenk (Hrsg.): Finanzgeschichtsschreibung und finanzföderaler Diskurs in der Bundesrepublik Deutschland. Festschrift zu Ehren von Dr. Matthias Woisin, in Reihe: Schriften zur öffentlichen Verwaltung und öffentlichen Wirtschaft, Band. 252, Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2021, S. 245–261, ISBN 978-3-8305-5151-5
- Die Gemeindefinanzreform von 1969: Ein Grund zum Feiern?, in: Der Gemeindehaushalt 120 (5/2019), S. 97–104.
- 100 Jahre Umsatzsteuer – Reflexionen aus kommunaler Sicht, in: Zeitschrift für Kommunalfinanzen (ZKF) 66 (12/2016), S. 265–270.
- Ursachen kommunaler Haushaltsdefizite, in: Deutsche Verwaltungspraxis (DVP) 67 (5/2016), S. 179–186.
- Die Investitionslücke. Ausmaß, Analyse und Lösungswege am Beispiel der Landeshauptstadt Hannover, in: Der Gemeindehaushalt 116 (11/2015), S. 248–255.
- Kommunalwirtschaft im Wandel: vom Munizipalsozialismus zum Konzern Stadt, in: Verwaltung und Management 21 (4/2015), S. 171–181.
- Kommunale Haushaltswirtschaft, in: Werner Gatzer, Tilmann Schweisfurth (Hg.), Öffentliche Finanzwirtschaft in der Staatspraxis, in Reihe: Schriften zur öffentlichen Verwaltung und öffentlichen Wirtschaft, Band. 231, Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2015, S. 593–609, ISBN 978-3-8305-3325-2
- Kommunale Haushaltskonsolidierung in der Vergeblichkeitsfalle?, in: Mareike Köller, Dietrich Fürst (Hg.), Kommunale Finanznot. Auswirkungen und Lösungsansätze, in Reihe: Stadt und Region als Handlungsfeld, Band. 10, Peter Lang Verlag, Frankfurt a. M. 2012, S. 85–95, ISBN 978-3-631-63371-7
- Das mutwillig erzeugte Einnahmenproblem. Die Steuerpolitik der letzten Jahrzehnte und ihre Auswirkung auf die kommunalen Haushalte, in: Verwaltung und Management 16 (5/2010), S. 236–242.
- Wege in den Schuldenstaat. Die strukturellen Probleme der deutschen Finanzpolitik als Resultat historischer Entwicklungen, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 55 (3/2007), S. 425–461.
- Deflation statt Inflation? Historische Erfahrungen aus der Weltwirtschaftskrise, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2/1999, S. 179–193.
Weblinks
Einzelnachweise
- Hansmann: Vom aufmüpfigen Ratsherrn zum Vorstandsmitglied in Neue Presse vom 3. Mai 2019, Abruf am 5. Mai 2019
- Kandidat der SPD: Marc Hansmann soll Hannovers Oberbürgermeister werden in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 3. Mai 2019, Abruf am 4. Mai 2019
- OB-Wahl in Hannover: Scholz und Onay gleichauf bei ndr.de vom 27. Oktober 2019
- Lebenslauf auf Uni-Hannover.de Abruf vom 2. Januar 2024
- Hannover: Kämmerer soll Stadtwerke-Vorstand werden Abruf vom 2. Januar 2024
- Bilanzen Abruf vom 2. Januar 2024
- Jahresabschlüsse Abruf am 2. Januar 2024
- Haushaltssicherung Abruf vom 2. Januar 2024
- Memorandum der Landeshauptstadt Hannover Abruf vom 2. Januar 2024
- Investitionsmemorandum Abruf vom 2. Januar 2024
- Back to future? Perspektiven der Kommunalwirtschaft, in: Niedersächsischer Städtetag Nachrichten (NSTN) 9/2009, S. 168-170, hier S. 170. Abruf vom 2. Januar 2024
- DIE ZEIT, 19.07.2007 Nr. 30 Abruf vom 2. Januar 2024
- Rede von Stadtkämmerer Marc Hansmann Abruf vom 2. Januar 2024
- Ambitionierter Start für die enercity Netzgesellschaft Abruf vom 2. Januar 2024
- Schuldschein von enercity ist grün und digital Abruf vom 2. Januar 2024
- enercity ist Top-Akteur im deutschen Windmarkt Abruf vom 1. Januar 2024
- Treffpunkt Netze: Auf der Suche nach den Netzausbaumilliarden Abruf vom 2. Januar 2024
- Enercity trotz Energiekrise mit Rekordgewinn Abruf vom 2. Januar 2024
- enercity-Härtefonds hilft Menschen in Hannover Abruf vom 2. Januar 2024
- Hohe Energiepreise: Niedersachsen legt Härtefallfonds auf Abruf vom 2. Januar 2024
- Fernwärmesatzung: Hannover baut Fernwärme aus Abruf vom 2. Januar 2024
- Treffpunkt Netze und Kommunale Wärmeplanung: Aktueller Stand und Perspektiven jeweils Abruf vom 2. Januar 2024
- Bodo Krüger: Der Befreiungsschlag, Online-Kommentar in der Neuen Presse, Hannover, vom 3. Mai 2019, Abruf am 5. Mai 2019
- Bericht auf NDR.de, Abruf am 6. Mai 2019
- CDU und FDP stellen Fragen nach Hansmanns Vergangenheit. Abgerufen am 8. Mai 2019.
- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/3986 / Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung [als PDF-Dokument von der Seite landtag-niedersachsen.de] verteilt am 19. Juni 2019
- Lebenslauf auf Uni-Hannover.de (Memento des vom 4. Mai 2019 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Abruf am 4. Mai 2019
- Vor dem dritten Staatsbankrott? Der deutsche Schuldenstaat in historischer und internationaler Perspektive (Marc Hansmann, 2012) jeweils Abruf vom 2. Januar 2024
- Modernisierung des öffentlichen Sektors gelbe Reihe jeweils Abruf vom 2. Januar 2024