Wilhelm Gerloff

Wilhelm Gerloff (* 24. Juni 1880 in Krefeld; † 23. Juli 1954 in Oberursel) war ein Deutscher Wirtschaftswissenschaftler. Bekannt ist er insbesondere für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Finanzwissenschaft. Er lehrte zunächst 1911 bis 1922 als außerordentlicher Professor für Nationalökonomie und Statistik an der Universität Innsbruck und wirkte ab 1922 bis 1952, mit Unterbrechungen, an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Gerloff war 1926 und 1932 Rektor der Universität in Frankfurt.

Leben und Wirken

Der Sohn eines Drechslermeisters betätigte sich nach Besuch der Volksschule und der königlichen Präparandenanstalt (1895 bis 1897) sowie des Volksschullehrerseminars (1897 bis 1900) zwischen 1900 und 1903 zunächst als Volksschullehrer, bevor er 1903 die Handelshochschule in Leipzig besuchte und dort 1905 die Diplomprüfung für das Handelslehramt ablegte.

Sein Promotionsstudium absolviete Gerloff in Tübingen, wo er 1906 mit einer Arbeit über die Besteuerung von Aktiengesellschaften in der Schweiz[1] zum Dr. scient. pol. promoviert wurde. An die Promotion schlossen sich Studienreisen an, die ihn nach Belgien, Frankreich und die Schweiz führten und die im Rahmen eines Friedrich List Reisestipendiums finanziert wurden. Nach seiner Rückkehr nach Tübingen wurde er dort 1908 mit einer finanzwissenschaftlichen Schrift habilitiert[2] und lehrte bis 1910 als Privatdozent in Tübingen allgemeine Nationalökonomie, Finanzwissenschaft und Statistik.

Mit dem Sommersemester 1911 wurde außerordentlicher Professor für Nationalökonomie und Statistik an der Universität Innsbruck, wo er ab 1912 bis 1921 schließlich ordentlicher Professor wurde und Lehraufträge für Finanzrecht, österreichisches Agrarrecht und Agrarpolitik hatte.

Im Herbst 1921 erhielt Gerloff einen Ruf an die Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, den er annahm und ab 1922 dort an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät den Lehstuhl für „Wirtschaftliche Staatswissenschaften I, insbesondere Finanzwissenschaft“ besetzte und somit die Nachfolge von Adolf Weber antrat. Rufe nach Gießen und Breslau lehnte er ab.

Gerloff rief in Frankfurt ein staatswissenschaftliches Seminar ins Leben und setzte sich dafür ein, den Finanzwissenschaftler Fritz Neumark, der 1925 noch Referent im Reichsfinanzministerium in Berlin war, für Frankfurt zu gewinnen.[3]

Bereits 1923 wurde Gerloff zum Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät gewählt. Er lehnte die Wahl aus gesundheitlichen Gründen ab. Erst zwei Jahre später wurde er erneut zum Dekan gewählt und nahm die Wahl für das Studienjahr 1925/ 1926 an. Er bekleidete dieses Amt erneut 1931/ 1932. Darüber hinaus war er 1926 und 1932 Rektor der Universität. Als offener Gegner des Nationalsozialismus (was beispielsweise aus seiner Rede zum Antritt des Rektorrates 1932 deutlich hervorgeht) musste er sich aus dieser Position aufgrund eines minsteriellen Erlasses „zur Gleichschaltung der Hochschulen mit dem Willen der Regierung“ vom 25. April 1933 vorzeitig zurückziehen. Bereits im März 1933 wurde er in „Schutzhaft“ genommen. Als Rektor wurde der Nationalsozialist Ernst Krieck gewählt.[4]

Die politische Position Gerloffs, die eine liberale und demokratische war, erschwerten seine akademische Kariere. So unterblieb beispielsweise ein Ruf nach München „infolge des politischen Systemwechsels“. Gerloffs Aktivitäten, insbesondere seine Forschungsreisen, wurden vom NS-Dozentenbund kritisch beobachtet und zum Teil verhindert. Nach der Denunziation Gerloffs durch Reinhold Henzler wird der NS-Dozentenbundführer in Frankfurt 1937 schließlich angewiesen, Gerloff auf keinen Fall mehr auf internationalen Kongressen auftreten zu lassen.

1940 zieht sich Gerloff aus gesundheitlichen Gründen von der Lehrtätigkeit zurück und wird vorzeitig emeritiert. in der Nachkriegszeit wird sich seitens der Universität darum bemüht Gerloff für den Wiederaufbau der Universität zu gewinnen. Obgleich gesundheitich angeschlagen brachte sich Gerloff zunächst in organisatorischer Hinsicht und später auch wieder als Lehrender ein. Bereits im Sommer 1945 wirkte er in Berufungsangelegenheiten mit, war Vorsitzender des Wissenschaftlichen Prüfungsamtes und arbeitete an der Prüfungsordnung für Diplomvolkswirte mit. Der Bitte auch als Lehrender wieder tätig zu werden willigte er erst Ende 1945 ein. Gerloff wurde schließlich reaktiviert und nahm seine Tätigkeit als ordentlicher Professor im Sommersemester 1946 wieder auf. Er hatte bis zu einer erneuten Emeritierung 1949 erneut seinen alten Lehrstuhl inne und vertrat diesen auch nach seiner Emeritierung auf Bitten der Universität noch kommissarisch bis 1952. Es folgte ihm der Finanzwissenschaftler Fritz Neumark.

Werk und Forschungsgebiet

Gerloff war in erster Linie Finanzwissenschaftler. Als solcher ist er inbesondere als Mitbegründer und Herausgeber des Handbuchs der Finanzwissenschaft bekannt. Er beschäftigte sich neben Fragen der Besteuerung, der Zoll- und Handelspolitik und staatsrechtlichen Fragen auch mit wirtschaftspolitischen Fragen, wie jener nach der Autarkie.

Neben finanzwissenschaftlichen Schriften, befasste sich Gerloff in verschiedenen Schriften mit der Geldtheorie, insbesondere der Geldentstehung sowie der Rolle des Geldes für und in der Gesellschaft und verband auf diesem Gebiet ökonomische Betrachtungen mit soziologischen, ethnographischen und historischen Untersuchungen.

Gerloff war zwischen 1950 und 1954 stellvertretender Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates des Bundesministerium der Finanzen.

Schriften (Auswahl)

  • Verbrauch und Verbrauchsbelastung kleiner und mittlerer Einkommen in Deutschland um die Wende des 19. Jahrhunderts. Fischer, Jena 1907.
  • Grundlegung der Finanzwissenschaft. In: Handbuch der Finanzwissenschaft (Wilhelm Gerloff und Franz Meisel, Hrsg.), Band 1, S. 1–56, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1926.
  • Grenzen der Besteuerung. In: Die Wirtschaftstheorie der Gegenwart (Hans Meyer, Frank Fetter und Richard Reisch, Hrsg.), Band 4, S. 162–179, Wien 1928.
  • Autarkie als wirtschaftliches Problem. In: Autarkie (Karl Brandt, Walter Eucken, Wilhelm Gerloff, Karl Lange, Rudolf Löb und Carl Petersen, Hrsg.), 13–36, Rowohlt, Berlin 1932.
  • Zuflucht am Bosporus: deutsche Gelehrte, Politiker und Künstler in der Emigration 1933–1953. Knecht, Frankfurt am Main 1980.
  • Wirtschaftswissenschaft und politische Bildung: Rede anlässlich der übernahme des Rektorates der Johann Wolfgang Goethe-Universität am 5. Nov. 1932. In: Frankfurter Akademische Reden, 2, H. Bechhold, Frankfurt a. M. 1932
  • Die Entstehung des Geldes und die Anfänge des Geldwesens: Frankfurter wissenschaftliche Beiträge: Kulturwissenschaftliche Reihe. Klostermann, Frankfurt a. M. 1940
  • Ursprung und Sinn des Geldes. Weltwirtschaftliches Archiv, Band 60, 240–255, 1944.
  • Die Kaufmacht des Geldes. Klostermann, Schulte-Bulmke, Frankfurt a. M. 1947.
  • Die Entstehung der öffentlichen Finanzwirtschaft. Klostermann, Frankfurt am Main 1948.
  • Geld und Gesellschaft: Versuch einer gesellschaftlichen Theorie des Geldes. Klostermann, Frankfurt a. M. 1952.



Literatur


Einzelnachweise

  1. Wilhelm Gerloff, Die kantonale Besteuerung der Aktiengesellschaften in der Schweiz. Francke, Bern 1906.
  2. Wilhelm Gerloff, Verbrauch und Verbrauchsbelastung kleiner und mittlerer Einkommen in Deutschland um die Wende des 19. Jahrhunderts. Fischer, Jena, 1907.
  3. Vgl. Fritz Neumarks Erinnerungen in Schefold Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler in Frankfurt am Main: Erinnerungen an die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät und an die Anfänge des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität : mit einem dokumentarischen Anhang und einer Lehrstuhlgeschichte. Metropolis-Verlag, Marburg 1989.
  4. Vgl. Hammerstein, Notker, Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main: Von der Stiftungsuniversität zur staatlichen Hochschule: 1914 bis 1950, Band I. Metzner, Neuwied 1989.


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